Die Anlage , nördlich von Queenstown.

Die Kawarau Bridge ist eine hölzerne Konstruktion, hängend an dicken Stahlseilen, gespannt zwischen Bruchsteinpfeilern in einer Höhe von 43 m über dem Kawarau River. Die Brücke wird von Schaffarmern der Gegend benutzt.

Seit 1988 betreiben A. J.  Hackett und seine Mannschaft den Sport mit dem Latex-Seil in dieser wildromantischen Schlucht.

Bungy Wie es begann...........

Dies ist meine Version der Geschichte. Alle anderen Mitglieder sollten hierdurch angeregt ihre eigene Geschichte schreiben. So gesehen ist dies nur ein Anfang und prinzipiell nur meine Person betreffend die subjektive Wahrheit. An den Fakten ändert das natürlich nichts.

Irgendwann Ende der Achtziger Jahre sah ich am Fernseher einen Bericht über einen "verrückten" Neuseeländer, der eine alte Mutprobe von Südsee-Insulanern - mit modernen Mitteln - zu einem spektakulären Event nahe Queenstown in Neuseeland weiterentwickelt hatte. Statt Lianen wie die alten Insulaner benutzte er ein dickes Tau, gedreht aus unzähligen dünnen, hochelastischen Latexfäden. Das Springen an sich, das grandiose Szenario auf der neuseeländischen Südinsel, der offenkundige Spaß den die Probanden beim Sprung in die Tiefe zu haben schienen, ließ in mir spontan den Entschluss reifen: Wenn du jemals dorthin kommst und die Umstände es erlauben, machst du das auch......

Fast vier Jahre später hörten wir (meine Frau Gudrun und ich), von einer geplanten Reise der KVHS Pirmasens nach Australien und Neuseeland. Ein Film des Reisebüros während eines Vorbereitungstreffens zeigte, im Rahmen der unterschiedlichsten "outdoor events", auch wieder einen kurzen Trailer des bunten Treibens an der Kawarau Bridge. Aus dem Kreis der Interessenten kamen erste Fragen nach der Möglichkeit der Teilnahme. Kurz, ein entsprechender Aufenthalt an der Brücke wurde in das Reiseprogramm aufgenommen. Mit Bekundungen meiner eigenen, aktiven Teilnahme an der Unternehmung hielt ich mich noch sehr bedeckt, da ich noch ein Problem mit der Angelegenheit hatte. Ich wusste einfach zu wenig über das "Einholen" der Gesprungenen. Leider bin ich sehr unsportlich - zumindest was das Turnen anbelangt. Allzu viel Körperbeherrschung dürfte der letzte Akt nach dem Sprung mir nicht abverlangen. Doch dazu später mehr.

Einem langen Flug über Bangkok nach Sydney, einer Busreise über Canberra nach Melbourne, zwei weiteren Flügen nach Auckland und Queenstown war es endlich soweit: Am nächsten Tag sollte unser Bus uns erst nach Arrowtown und dann an die Kawarau Bridge bringen. Am Spätnachmittag hatten wir in Queenstown im A.J. Hackett Shop ein Video über den Ablauf gesehen. Das Einholen schien mir machbar zu sein. Man musste nur - kopfüber hängend - nachdem alle Energie aus dem Abbremsen des Sprunges ausgependelt war, einen Stab ergreifen und sich in den - angebunden im Wildwasser - wartenden Kahn ziehen lassen. 

Beim Abendessen wurde dann festgehalten, wer alles den Sprung wagen würde. Neben Wolfram Prochnow vom Reisebüro Kömmerling in Pirmasens und Peter Kröher, die schon immer ihre Teilnahme bekundet hatten meldeten sich noch Helmut Hirth, Kurt Biehler und Ulrich Stoltz. Ich ließ mich auch auf die Liste setzen, mutig und in der Gruppe gut aufgehoben.

Am nächsten Morgen im Hotel am malerischen Lake Wakatipu - das Frühstück wollte schon nicht mehr so richtig schmecken - begann mehr und mehr das Lampenfieber die Euphorie vom Vortag zu verdrängen. Natürlich sollte dies keiner merken. Die wunderschönen Ketten und Ringe des Goldschmieds in dem alten Goldgräberstädtchen Arrowtown blieben - zumindest von mir - relativ unbeachtet. Die Fahrt durch die romantische Kawarau-Schlucht lenkte ein wenig ab. Genau bis zu dem Moment, als die Bergwand hinter einer Kurve unvermittelt den Blick auf die Brücke, die Schlucht und den kleinen Fluss tief unten freigab. Mir rutschte das Herz in die Hose. Worauf hatte ich mich nur eingelassen: "Auf geht's" rief ich in die Tiefen des Busses. "Uff die Brigg unn nunner". Keiner sollte merken, was wirklich in mir vor ging. Um die Misere komplett zu machen, begann Gudrun mich verbal von diesem Vorhaben abzubringen. Natürlich konnte dies nicht gelingen. Ein Mann ein Wort - gesagt getan und was es sonst noch für unsinnige Sprüche gibt.

Vor den Sprung haben die Hacketts das Wiegen gesetzt. Dieser Vorgang ist nötig, um die Länge des Seils zu bestimmen. Je schwerer der Springer, desto kürzer das Seil. 109 Kilo war mein - unbestechlich durch eine Personenwaage festgestellt - Gewicht in voller Montur. Natürlich waren wir, den winterlichen Temperaturen entsprechend, nicht gerade dünn gekleidet, aber 109 Kilo? Nun, für den 11.Mai 1992 war das Fakt. Mit rotem, dickem Filzstift auf den Handrücken quasi eingebrannt. Die Zahl sollte noch tagelang zu sehen sein. Schon vor dem Wiegen mussten wir ein Revers unterschreiben, dass wir körperlich und geistig gesund seien. Ob diese Erklärung im letzten Teil gerichtsverwertbar gewesen wäre - ich wage es zu bezweifeln. Der Wahrheit konnte es nicht entsprechen.

Gudrun mühte sich immer noch, mir das Wagnis auszureden. Es gelang ihr nicht. Langsam wurde es Ernst. Das Lampenfieber hatte beim ersten Blick auf die Brücke seinen Höhepunkt gehabt. Je näher ich meiner "Präparation" kam, desto mehr wurde ich von der allseits herrschenden Euphorie angesteckt. Klar, dass auch die Serie der bisher absolvierten Sprünge, die Tatsache, dass alles gut gegangen war und die Professionalität des Personals ein gutes Stück zur Beruhigung beitrugen. 

Die Sprungfolge war festgelegt: Wolfram sollte beginnen, Peter, Helmut, Kurt, dann ich und zum Schluss Ulrich. Zwischen unseren Sprüngen sollten jeweils ein oder zwei Springer von anderen Gruppen springen dürfen, da sonst deren Wartezeit zu lange gedauert hätte. Es wird abwechselnd von zwei verschiedenen Sprungbalken gesprungen. Zwischen zwei Sprüngen liegen etwa zehn Minuten Vorlauf. So hatte ich noch eine Galgenfrist zirka eineinhalb Stunden.

Wolfram Prochnow stand am Sprungbalken zum Sprung bereit. Er winkte, lächelte rief "Hello Friends" und sprang. Beim ersten Zurückfedern öffnete er den Reißverschluss seiner Blouson-Lederjacke und zog ein weißes Transparent mit der Aufschrift "Willkommen KVHS Pirmasens" hervor, welches dann voll entfaltet mit ihm die immer kürzer werdenden Pendelbewegungen vollführte und schlussendlich mit Mühen in den Kahn eingebracht wurde. Der Anfang war gemacht, ich wurde zuversichtlicher, Gudrun Gott sei Dank auch.

2. Teil folgt

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